Der Löwe und der Vogel
Worte sind hier (fast) fehl am Platz. Marianne Dubuc spricht in starken, klar strukturierten Bildern. Die wenigen Sätze dieses Bilderbuches unterstreichen ihre leise, sensible Art des Erzählens, die Freiraum und Weite schafft. Der Bilderbuch-Tipp von Andrea Kromoser.
Da haben sich zwei gefunden! Nachdem Vogel unglücklich verletzt in Löwes Garten landet, nimmt ihn dieser gastfreundlich bei sich auf: "Du kannst bei mir bleiben. Es ist genug Platz für uns beide." Den ganzen Winter über teilen die beiden unterschiedlichen Tiere die wohlige Wärme am Kaminfeuer, gemütliche Mahlzeiten, den Blick in den Badezimmerspiegel beim Zähneputzen und die Freude am ersten Schnee. Langsam vergehen die Wintertage, die Marianne Dubuc in ruhig-stimmungsvollen Buntstiftzeichnungen festhält; bis aus der Schneedecke einer ansonsten völlig in weiß gehaltenen Doppelseite der erste Krokus hervorschaut.
Keine Freundschaft großer Worte
Die beiden Figuren verständigen sich fast ausschließlich wortlos: Auf weinige Seiten sind kurze Sätze gedruckt, meistens jedoch erzählen Löwe und Vogel nonverbal – einander als auch den LeserInnen. Marianne Dubuc lässt den Bildern viel Raum, stellt einzelne Szenerien in die Leere des Weißraumes und kommt immer wieder auf die Darstellung des Zuhauses des Löwen zurück. Durch die Veränderungen der Landschaft bzw. der Wetterverhältnisse um das Haus stellt sie den Verlauf der Zeit bzw. der Jahreszeiten dar.
Vogels verletzter Flügel ist längst verheilt, und mit dem Frühling ist die Zeit des Abschiedes gekommen. Besonnen, in sich gekehrt, zufrieden aber etwas traurig verlebt Löwe den Frühling und Sommer, ohne Vogel. Dann werden die Tomaten rot, die Blätter der Bäume färben sich golden und Löwe denkt an die kommenden, langen Wintertage. Wie wird Vogel sich entscheiden? Dieses Jahr könnte er wieder mit Seinesgleichen in den Süden ziehen...
Andrea Kromoser

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TitelDer Löwe und der Vogel
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Autor:inMarianne Dubuc
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GenreFiction
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VerlagCarlsen
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Seiten72
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Übersetzer:inAnna Taube
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Bewertung