Häschen in der Grube
Die Comickünstlerin Isabel Kreitz bleibt in dieser ausschliesslich in Bildern erzählten Geschichte ihrem Metier treu, kommt jedoch dem Genre Bilderbuch sehr nahe. Der Tipp von Andrea Kromoser.
„Häschen in der Grube, saß und schlief, saß und schlief. Armes Häschen bist du krank, dass du nicht mehr hüpfen kannst? Häschen hüpf, Häschen hüpf, Hääääschen hüpf!",
so die erste Strophe des bekannten Kinderliedes „Häschen in der Grube". Isabel Kreitz zeichnet dem Hasen in ihrem gleichnamigen Bilderbuch ein weißes Fell sowie grosse schwarze Augen, mitsamt treuherzigem Häschenblick.
Genau so könnte auch das Häschen des Kinderliedes aussehen. Nur die Grube, in der das arme Tier völlig plötzlich und sehr unsanft landet, ruft im traditionellen Lied andere Assoziationen hervor. Denn bei Kreitz ist diese keineswegs eine Mulde inmitten einer unwegsamen Wald-und-Wiesen-Gegend sondern das tiefe Loch hinter einem halb offen stehenden Kanaldeckel. Erschrocken findet sich der kleine Hase im Inneren eines düsteren, städtischen Abwassersystems wieder und beginnt nach den ersten, zögerlichen Sprüngen mutig seinen Weg entlang der Rohre, Treppen und Gänge.
Ein mit Buntstiften gezeichneter Comic in Bilderbuchformat
Die Zeichnerin Isabel Kreitz, bekannt durch die Comicadaptionen einiger Werke Erich Kästners, erzählt ihre Geschichte ausschliesslich in mit Buntstiften gemalten Bildern. Keine Sprechblasen, keine Textfelder – nur die Mimik und Körpersprache des Hasen, sowie häufige Szenen- und Perspektivenwechsel. Langsam aber mühelos tasten sich die Augen der RezipientInnen von einem Panel zum nächsten. Die Geschichte appelliert an die Bildlesekompetenz der BetrachterInnen, fordert diese jedoch niemals zu stark heraus.
Denn auf die direkte Wirkung der Illustrationen ist Verlass: keine versteckten Details, die vom eigentlichen Handlungsstrang ablenken könnten, jegliche Bewegungen sowie jede Begegnung der Figur werden klar und leicht verständlich dargestellt. So überraschen auch die im Dunklen vereinzelt auftretenden Augenpaare wenig, welche den Weg des Häschens heimlich beobachten. Auf wen wird es treffen? Wohin wird es die Reise durch die Umwege seiner Grube führen?
"Liebes Häschen nicht so schnell, nimm mich mit zum frischen Quell. Häschen hüpf, Häschen hüpf, Hääääschen hüpf!"
Entlang des Textes des Kinderliedes gedacht (welches in einer der beiden gängigen Versionen drei weitere Strophen enthält), müsste das Häschen alsbald kuriert sein, um zu seinem eigentlichen Ziel am „frischen Quell" zu gelangen. Isabel Kreitz wählt auch hier eine unkonventionelle Darstellung, die keinesfalls auf erste, spontane Assoziationen zu den Begriffen „Frische" und „Quelle" zutrifft.
So viel sei dazu verraten: der sehnsüchtige Blick und die verzagt-hilflose Körperhaltung des Hasen werden auf dem letzten Bild völlig verflogen zu sein.
Andrea Kromoser

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TitelHäschen in der Grube
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GenreComic / Graphic Novel
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VerlagAladin
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Erscheinungsdatum2014
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Seiten32
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Illustrator:inIsabel Kreitz
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