Warten auf Goliath
Von den Facetten des Wartens und davon, dass sich Warten wirklich richtig lohnen kann, erzählt Antje Damm in ihrem tiefsinnigen Bilderbuch. Der Tipp von Andrea Kromoser.
Nein, nicht auf Godot, sondern auf Goliath wartet der Protagonist dieses Bilderbuchs. Jedoch ist die Ähnlichkeit der beiden Namen bestimmt kein Zufall. Denn wie in Samuel Becketts Theaterstück verbringt auch Bär in „Warten auf Goliath“ eine sehr lange Zeit an einem nicht genau bestimmten Ort, irgendwo am Strassenrand.
Bilderbuchbühne
Dem Theater nähert sich Antje Damm in ihrer Geschichte noch auf einer zweiten Ebene an: Wie schon in ihrem preisgekrönten Bilderbuch „Der Besuch“ lässt sie ihren Handlungsraum sowie die Figuren auch hier auf dreidimensionaler Ebene wirken. Eine aus Karton ausgeschnittene Bärenfigur sitzt auf einer rot bemalten Parkbank, die ebenfalls aus Pappelementen aufgebaut wurde. Ein aus Zweigen stilisierter Baum markiert den Bilderbuchbühnenraum im Hintergrund, neben die Parkbank wurde eine Bushaltestelle montiert.
„Seit dem frühen Morgen sitzt Bär da und wartet. ‚Ich warte auf Goliath!‘, erzählt er allen. ‚Goliath kommt gleich, er ist mein allerbester Freund.‘“ Zuversicht spricht aus Bärs Worten und Gesten. Dieser Goliath muss jemand ganz besonderer sein, dass ist sofort spürbar. Denn auf einen allerbesten Freund wie ihn lohnt es sich zu warten. Auch wenn dabei viel Zeit vergeht, sehr viel Zeit.
Wartezeit
Mit Blick auf die Bilder wird Seite für Seite deutlicher, wieviel Zeit verstreicht. Am Baum nistet sich ein Rotkehlchen ein, während die Kirschen reif geworden sind, schlüpfen Vogelkinder. Als sich die Blätter bereits rot-braun gefärbt haben, fährt ein Bus vorbei. Nachdem erste Schneeflocken fallen, rollt sich Bär unter der Parkbank zum Winterschlaf ein. Die Bank wird zur Bärenhöhle, die grundlegenden Elemente des Schauplatzes bleiben jedoch unverändert. Als Bär wieder erwacht, trägt der Baum schon erste Blüten, die Sonne scheint. „Mit einem Mal hört er ein leises Geräusch. So, wie wenn jemand mit der Hand über ein Stück Papier streicht. Goliath kommt!“ Wer oder was Goliath ist, bleibt im Text dieses Bilderbuches bis zum Ende unausgesprochen. Nur die Fotografien der Bilderbuchbühne verraten das lange gehegte Geheimnis.
Antje Damm gelingt es mit „Warten auf Goliath“, neugierig zu machen und in leiser, jedoch nicht minder aufregender Manier Spannung aufzubauen. Dabei darf die Zeit in aller Ruhe verstreichen.
Andrea Kromoser

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TitelWarten auf Goliath
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Autor:inAntje Damm
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GenreFiction
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VerlagMoritz
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Erscheinungsdatum2016
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Seiten36
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Bewertung