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54 Minuten

| Kinder- und Jugendredaktion | Jugendbuch

Hast du dir schon mal vorgestellt, alles zu verlieren? So als würde alles zwischen deinen Händen zerrinnen? Aus der Perspektive von vier Jugendlichen entfaltet sich ein Amoklauf, bis die letzte Kugel verschossen ist und die letzten Schreie verklungen sind. Marieke Nijkamp erzählt mit «54 Minuten» eine aufwühlende Geschichte, rezensiert vom Jugendbuchredaktor Louis Epelbaum.

Nicht viel passiert gewöhnlich im öden, verschlafenen Opportunity, Alabama. Die Direktorin hält wie jedes Jahr ihre bekannte Rede in der grossen Aula. Die Schüler leiden unter dem ermüdenden Gelaber Frau Trentons, so dass jeder zweite bereits gelangweilt vor sich hin döst. Als die Tortur überstanden ist und der Weg der Schülermasse aus der stickigen Halle ins Freie führt, fällt etwas Unerwartetes auf. Wieso leert sich die Aula nicht, wie in all den Jahren zuvor?  

«Das Schülergedränge um mich herum wird mit jedem Schritt dichter. Rucksäcke rempeln in mich hinein, Schultern treffen aufeinander. Ich habe keine Ahnung, warum niemand rausgeht. Es ist viel zu voll hier.» – Autumn 

«Als die Schulglocke läutet, warte ich darauf, dass die Flure sich füllen. Trentons Rede sollte jetzt zu Ende sein. Aber die Korridore bleiben leer, als wären wir beide die einzigen im Gebäude. Die Ruhe ist beängstigend.»– Sylv 

Aus vier Perspektiven
Eine einzelne Gestalt tritt ans Licht, ein breites hämisches Grinsen zeichnet sich auf dem Gesicht des ehemaligen Schülers ab, der eine blitzende Pistole in der Hand hält. Da hebt sich sein Arm und der erste Schuss fällt – Tyler Brown wird sich an jedem dieser Schule, der ihm Unrecht getan hat, rächen. 

Der Jugendroman wird von Anfang bis Ende aus vier Perspektiven erzählt: von vier Jugendlichen mit verschiedenen Vergangenheiten. Jeder von ihnen steht in einer anderen Situation und sieht die Welt mit anderen Augen. Erst nach und nach erfährt man mehr über das Leben, die Hintergründe und die Persönlichkeiten der vier Protagonisten Autumn, Sylv, Tomas und Claire. 

Schulschiesserei

Die Handlung im Buch ist fiktiv, bezieht sich aber dennoch auf das momentan sehr präsente Thema der Schulschiessereien, das vor allem in den Vereinigten Staaten immer wieder für Schlagzeilen sorgt. 

Die Autorin erzählt die Geschichte sehr dramatisch. Kurze, lebendige Augenblicke, in denen viel passiert, wechseln sich mit der intensiver Dunkelheit des Abwartens. Als Leser bin ich von den Situationen und Beschreibungen so gefesselt, dass ich fast den Eindruck bekomme, selber in der Geschichte zu stecken. Packend verfasste Abschnitte, rührende, mitunter aber auch brutale und herzlose Szenen verdichten sich zu einem aufregenden und aussergewöhnlichen Jugendroman.  

Gedankensprünge in die Vergangenheit
Was ebenfalls einen grossen Teil des Romans ausmacht, sind die stetigen Gedankensprünge in die Vergangenheit, welche sich in den Köpfen der vier Protagonisten abspielen. Diese ermöglichen eine bessere Übersicht über die Geschehnisse und als Leser kann ich mich noch tiefer in die Geschichte hineinfühlen. Manchmal muss man aber ein bisschen aufpassen, dass man nichts verpasst. Raffiniert ist jedoch, dass die Gedankensprünge den Roman auf eine aufregende Weise in die Länge ziehen. 

Manchmal erfordert das Lesen einige Verschnaufpausen, da die Geschichte nichts für schwache Gemüter ist und die ganze Zeit wieder etwas Wahnsinniges passiert. 

Besonders gefallen hat mir auch die Dramaturgie und die trotz allem liebevoll beschriebenen Figuren. Der Jugendroman nimmt uns mit in eine scheinbar andere Welt, die jedoch ziemlich 1:1 der Wirklichkeit entspricht. So ruft uns dieser Jugendroman in Erinnerung, dass sich solch grauenvollen Geschichten fast wöchentlich in den Staaten abspielen. 


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Kinder- und Jugendredaktion

  • Titel
    54 Minuten
  • Autor:in
    Marieke Nijkamp
  • Verlag
    FJB
  • Erscheinungsdatum
    2017
  • Seiten
    327
  • Übersetzer:in
    Mo Zuber
  • Bewertung