Eine Insel für uns allein
Sally Nicholls zeitgemässer Jugendroman ist ein gelungener Mix aus Abenteuerbuch, Detektivgeschichte und Sozialdrama, der Kinder sowie Erwachsene anspricht. Der Eltern-Tipp von Martina Friedrich.
«Das Buch hier handelt teilweise davon, wie es ist, wenn Kinder alleine auf sich aufpassen müssen, und teilweise von dem, was letzten Sommer passiert ist. Ich glaube, nicht mal Sherlock Holmes hätte sich vorstellen können, was wir letzten Sommer erlebt haben.» Erfrischend und mit viel trockenem Humor lässt die Autorin Sally Nichols ihre dreizehnjährige Protagonistin Holly vom ereignisreichen letzten Jahr erzählen. Beate Schäfer hat den Rückblick so hervorragend aus dem Englischen übersetzt, fast könnte man meinen, der Text wurde auf Deutsch verfasst.
Ein Leben voller Verzicht
«Unsere Wohnung ist klein und liegt über einem Frittenladen, in einer Gegend von London, die dafür bekannt ist, dass sie – keine Ahnung – besonders bunt gemischt und multikulti ist und dass es da tolle Lebensmittelläden und Lokale gibt oder so. …. Und mein Wintermantel ist ein bisschen zu klein, daher kann ich ihn nicht bis obenhin zumachen.»
Nachdem Hollys Mutter an Krebs verstorben ist, übernimmt ihr sieben Jahre ältere Bruder Jonathan das Sorgerecht für Holly und den kleinen Davy. Als eingeschworene Geschwister-Gemeinschaft meistern die drei so gut es geht den Alltag, wobei jeder einsichtig auf persönlich Wichtiges verzichten muss, damit sie weiterhin zusammen in der, von der Mutter eingerichteten Wohnung (ihre Insel), leben können. Statt zu studieren arbeitet Jonathan in einem Café, um den Familienunterhalt einigermassen abzusichern. Um das Geld für die Nachmittagsbetreuung zu sparen, betreut Holly am Nachmittag Davy zu Hause, statt sich mit ihren Freunden zu treffen. Davy träumt von einem Fahrrad. Doch dieser Wunsch ist unerfüllbar. Die finanzielle Not der Waisen können die gestressten Betreuer vom Jugendamt nicht wirklich lindern.
Sozialdrama mit Dreh
Das moderne, einfühlsam geschilderte Sozialdrama wandelt sich mit dem Tod der eigenwilligen, stinkreichen und misstrauischen Tante, die ihr Vermögen vor dem eigenen Ehemann versteckt hat, in eine packende Detektivgeschichte: Auf dem Sterbebett schenkt die Tante Holly ein Fotoalbum mit sonderbaren Fotos vom eigenem Wohnzimmer, einem Nebengleis einer Bahnstrecke und einem einsamen Strand. Holly versucht das Bilderrätsel mit detektivischen Spürsinn sowie der tatkräftigen Unterstützung der Freunde von Makerspace («Stellt euch vor, ihr wärt gut befreundet mit einem Erfinder. Und nicht nur mit einem, sondern mit ungefähr hundert waschechten, superbegabten, herrlich durchgeknallten, genialen Erfindern.») zu lösen. Nur so kann das Mädchen den geerbten Schmuck finden.
Dank vieler hilfsbereiter Bekannter, die über Facebook schnell erreichbar sind, und Freunden der Grosseltern auf einer der Orkney-Inseln gelingt es den Geschwistern eine Reise nach Schottland zu organisieren, um dort nach dem Schatz zu suchen. Die stimmungsvolle Schilderung der Reise im Nachtzug von London nach Aberdeen und der Weiterreise mit der Fähre zu den kargen Orkney-Inseln weckt Reiselust. Aber nicht nur das: Das warmherzige Buch verdeutlicht, wie wichtig der Zusammenhalt innerhalb einer Familie ist, um Schicksalsschläge zu überwinden.
Fachredaktion

-
TitelEine Insel für uns allein
-
Autor:inSally Nicholls
-
Verlagdtv Reihe Hanser
-
Erscheinungsdatum2017
-
Seiten216
-
Übersetzer:inBeate Schäfer
-
Bewertung