Hass gefällt mir
„Cybermobbing böte Stoff für ein faszinierendes Buch. Dieses Potential wird hier leider verschenkt“, schreibt unsere Nachwuchsredaktorin Sophie Burkhalter über Johanna Nilssons Jugendbuch „Hass gefällt mir“.
Zu Beginn weckt das Buch der schwedischen Autorin Erinnerungen: Das Mädchen in der Klasse, das sich erwachsen anzieht, scheinbar reif verhält, das mit den Rundungen – die Schöne. Und man selbst ist immer noch flach, unscheinbar und wohl meilenweit von den ersten sexuellen Erfahrungen entfernt.
Die Schöne heisst im Buch Gloria, das Mauerblümchen Jonna. Die beiden sind befreundet. Doch auf einer Party wird Gloria von ihrem Schwarm Robin gezwungen, ihm einen zu blasen. Dabei wird sie gefilmt.
Später erstellt Robin eine Facebook-Gruppe. Dort lädt er Naktfotos und das Video von dem Übergriff hoch. Er selbst ist auf dem Film nicht zu erkennen. Gloria schon.
Eine Spirale aus Hass
Es folgt ausgedehntes Mobbing im Internet und in der Schule. Allerdings auch Glorias Rache an Robin und eine Spirale aus Hass.
Auch die Facebookgruppe weckt bei mir Erinnerungen. Auch während meiner Schulzeit gab es solche Gruppen, in denen jemand aus der Klasse gemobbt wurde. Dadurch hat das Buch schnell mein Interesse geweckt.
Leider gibt es im Buch einige Stereotypen: Jonnas Mutter ist alleinerziehend und hat einen arbeitslosen Freund. Gloria hingegen stammt aus einer wohlhabenden, aber oberflächlichen Familie samt Mutter mit aufgespritzten Lippen. Auch die Beschreibung von Robin ist etwas überspitzt: „Er macht freiwillig Sport und ist in jeder Disziplin ein Ass. Er singt in der Schul-Rockband und sieht so kriminell gut aus, dass alle anderen Jungs an der Schule Depressionen oder gar Selbstmordgedanken haben (er könnte wegen indirekten Mordes verurteilt werden).“
Blasse Charaktere und Motive
So bleiben bedauerlicherweise die Charaktere blass. Ebenso ihre Motive. Trotz Ich-Perspektive bleiben die Gründe für das Handeln der Figuren relativ oberflächlich. Besonders Robins Motive werden unbefriedigend aufgearbeitet. Ganz am Ende des Buches gibt es eine Andeutung auf einen sexuellen Missbrauch. Dass so der Leser bis kurz vor Schluss im Unklaren gelassen wird, baut zwar Spannung auf, die aber nie aufgelöst wird.
Verschenktes Potential
Gerade die Beweggründe für einen sexuellen Übergriff und Cybermobbing böten Stoff für ein faszinierendes Buch. Dieses Potential wird leider verschenkt. Die Figuren wurden durchgehend distanziert gezeichnet, so dass mich die zunehmende Eskalation der Situation immer weniger berührte und betroffen machte. Leider!
Kinder- und Jugendredaktion

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TitelHass gefällt mir
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Autor:inJohanna Nilsson
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VerlagBeltz & Gelberg
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Erscheinungsdatum2016
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Seiten169
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Übersetzer:inMaike Dörries
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Bewertung