Und morgen am Meer
Milena lebt in Ostberlin, Claudius bei seinen Eltern im Westen. Die beiden können unmöglich zusammen sein. Warum erzählt Corina Bomann im Roman „Und morgen am Meer“. Schade nur erinnert die Sprache an einen Schüleraufsatz. Die Kritik der Nachwuchsredaktorin Sabrina Michel.
Der Tag, an dem die Mauer in Berlin gefallen ist, liegt noch gar nicht lange zurück. Trotzdem können Jugendliche sich heute kaum vorstellen, wie das Leben in dieser geteilten Stadt zwischen dem zweiten Weltkrieg und dem Jahre 1989 war. Dass diese Thematik nun in einer literarischen Romanze verwoben wird, macht das Buch für junge Leserinnen und Leser interessant.
Dem 18-jährigen Claudius ist Milena so wichtig, dass er alles auf eine Karte setzt und höchste Risiken eingeht, um seine Freundin aus der DDR zu befreien. So kommt es, dass die beiden auf einem Motorrad fliehen. Der Weg soll sie über Tschechien bis ans Meer und wenn möglich von da nach Westberlin führen.
Historischer Jugendroman
Die Geschichte der zwei jungen Flüchtlinge auf einem Motorrad basiert auf einer wahren Begebenheit, wie Corina Bomann in ihrem Nachwort schreibt. Im Gegensatz zu Claudius und Milena wurden jedoch die jungen Liebenden in der Realität geschnappt, bevor sie überhaupt die Grenze Deutschlands erreichten.
Das Nachwort ist informativ und gerne würde man mehr darüber erfahren, wie die Autorin die DDR erlebt hat. Wahrscheinlich wäre ihr ein autobiographischer Roman besser gelungen als dieser Jugendroman.
Gut aufgezeigt werden hingegen die Besonderheiten und Regeln, welche die DDR hatte, die wir uns heute gar nicht mehr vorstellen können. Milena durfte zum Beispiel nur ostdeutsches Radio hören. Welche Nachrichten und welche Musik gehört werden durften, wurde vom Staat peinlichst genau überwacht.
Dadurch, dass Claudius und Milena abwechslungswiese in der Ich- Perspektive erzählen, werden auch die enormen Gegensätze von Ost- zu West- Berlin deutlich. Die Westberliner hatten viel mehr Freiheiten und durften ihre eigene Meinung vertreten. Ostberliner hingegen mussten alle die westlichen Mächte schlecht finden und eine vorgegebene Denk- und Lebensweise übernehmen. Lebensmittel zum Beispiel stehen den Ostberlinern nur bedingt zur Verfügung.
Keine ausdifferenzierte Charaktere
Der Geschichte fehlen eindeutig ausdifferenzierte Charaktere. Milenas Haare, Augen und Kleider werden zwar bildhaft beschrieben und wir kennen auch ihre Gedanken. Dafür, dass sie jedoch bis in die Hälfte des Romans aus der Ich-Perspektive erzählt und Claudius sie in seinen Passagen beschreibt, erfährt man viel zu wenig über ihr Wesen. Man kennt ihre Vorliebe für Musik und schätzt ihren Mut, richtig an das Mädchen heran kommt man jedoch nicht.
Auch die Nebenfiguren wirken nicht sehr glaubwürdig und sind holzschnittartig gezeichnet: entweder böse, wie Milenas Vater, der die Tochter anlügt und sie sogar schlägt oder gut, wie die beiden Hauptfiguren, die von nichts eine Ahnung haben und in deren Köpfen niemals ein schlechter Gedanke herumschwirrt.
Was mich im Buch am meisten stört, sind die Sprache und Dialoge. Die Hauptpersonen sind 17 und 18 Jahre alt und sprechen wie zehnjährige Kinder. Das ist natürlich wenig glaubhaft. Da hilft auch der Kompromiss, den Jugendroman ab 12 Jahren zu empfehlen, nicht gross weiter.
Holprige Sätze und Dialoge
Sprachlich ist der Jugendroman alles andere als geschliffen. Zwei Beispiele:
„Die Augen meines Vaters, dem man anmerken konnte, dass er getrunken hatte, wurden schmal.“
Und: „Milena und ich froren um die Wette beim Fahren, und als wieder ein Schauer auf uns niederging, begann ich, nach einer Möglichkeit uns unterzustellen, Ausschau zu halten.“
Es ist zwar toll, dass in den Dialogen immer wieder Dinge einfliessen, die es nur damals in der DDR gab. Etwa Namen von Lebensmitteln, und diese werden dann auch immer schön von Milena erklärt, da ja auch Claudius diese Worte nicht versteht. Nur wirken dann halt leider die Dialoge nicht glaubwürdig, sondern vielmehr gekünstelt.
„Und Morgen am Meer“ ist ein Jugendroman mit guten Ansätzen, sprachlich eher holprig und inhaltlich wenig überzeugend.
Kinder- und Jugendredaktion

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TitelUnd morgen am Meer
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Autor:inCorina Bonmann
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VerlagUeberreuter
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Erscheinungsdatum2013
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Seiten350
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Bewertung