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Wer morgens lacht

| Kinder- und Jugendredaktion | Jugendbuch

„Wer morgens lacht und mittags singt, am Abend in die Hölle springt." Ein Zitat, welches Annes Kindheit stark geprägt hat. Mirjam Presslers anspruchsvoller Roman „Wer morgens lacht" glänzt mit einer geschmeidigen, poetischen Sprache. Der Tipp von Sabrina Michel.


Eindringlich erzählt Anne von ihrem derzeitigen Leben als Studentin in Hamburg und schreibt Erinnerungen an ihre Kindheit auf. Sie stellt sich so endlich den düsteren und belastenden Erinnerungen an ihre Schwester Marie. Seit Marie damals von zu Hause weggelaufen ist, geistert sie in Annes Kopf herum. Davon will Anne sich endlich befreien.


Im Jugendroman «Wer morgens lacht» von Mirjam Pressler finden laufend Sprünge statt zwischen Annes Gegenwart und ihrer Vergangenheit. Diese beiden Welten werden sprachlich sehr differenziert dargestellt. Annes Leben in der Wohngemeinschaft wird in bunten, leuchtenden Farben beschrieben:

"Die Sonne scheint, das Laub fängt schon an, sich zu verfärben, auch wenn die verschiedenen Grüntöne noch vorherrschen und einen besonders schönen Hintergrund für Rickis rotblonde Haare bilden, die wie geschmolzenes Kupfer aufleuchten, wenn die Sonne darauf fällt."

Während die Farben in Annes Elternhaus immer etwas düster und grau wirken:

"Sie gehörte auch nicht zu ihrer Schwester , dieser farblosen, strebsamen Schülerin, die ihr so alt vorkam, wie das Haus und seine Bewohner und trotzdem viel zu jung war, um auch nur zu ahnen, was das Leben zu bieten hatte ..."


Beeindruckend, wie Pressler es schafft, den Lesenden immer wieder vor Augen zu führen, dass Erinnerungen sehr subjektiv sind. Dass sie verdrängt werden oder sich laufend in unseren Köpfen verändern. In welchem Ausmass Annes Rückschau verzerrt ist, entpuppt sich erst in einer verstörenden Schlussszene.

Der stimmungsvolle Text ist sehr gelungen. Er wirkt rund und liesst sich flüssig. Ein gutes Beispiel dafür bietet eine Beschreibung von Annes Omi:

"Omi war keine strahlende Flamme, keine Festbeleuchtung, keine bunte Lichterkette, keine flackernde Neonröhre und erst recht keine Diskokugel, sie war eher wie Kerzenlicht oder wie wärmendes Herdfeuer."

Altmeisterin Mirjam Pressler hat einmal mehr einen aussergewöhnlichen, abgerundeten und nachdenklich stimmenden Jugendroman geschrieben.


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Kinder- und Jugendredaktion

  • Titel
    Wer morgens lacht
  • Autor:in
    Mirjam Pressler
  • Verlag
    Beltz & Gelberg
  • Erscheinungsdatum
    2013
  • Seiten
    255
  • Bewertung