Ich bin hier bloss die Mutter
Aufgepasst: Dieses Buch ist ein Mütterroman im Gewand einer Kindergeschichte! Amelie Fried, die aktuell mit Frauenthemen Bestseller schreibt, meldet sich in exakt dieser Mission als Kinderbuchautorin zurück. Der Tipp von Ina Nefzer.
Gute Mutter, schlechte Mutter
Was eint Hanna Johansen, Friedbert Stohner, Jutta Richter und nun auch Amelie Fried mit der Illustratorin Hildegard Müller? Sie alle haben die Reihe“ Ich bin hier bloss ...“ im Hanser Verlag mit einer Kindergeschichte bestückt, welche die Perspektive der jeweiligen Hauptfigur in den Mittelpunkt rückt. Heraus kommen so humorvolle wie authentische Innenansichten einer Katze, eines Schafs, Ponys, Hamsters, Hundes, Kindes und nun auch einer Mutter. Gestaltet und illustriert wird die Reihe von Hildegard Müller und ihrem frechen Strich, der nicht hart gezogen ist, sondern weich und kreidig die amüsanten Geschehensmomente der jeweiligen Handlungen konturiert. Nur auf dem Cover sind ihre Zeichnungen mit Farbflächen unterlegt, wodurch die Einzelbände, welche allesamt in demselben schmalen Hochformat erscheinen, leicht zu unterscheiden sind.
Von wegen Rosarot
Rosarot ist die Hintergrundfarbe des neuesten Bandes „Ich bin hier bloss die Mutter“, Grün füllt einige Binnenflächen. Was sich eigentlich als Komplementärfarben optimal ergänzen soll, will hier – wohl durch die Wahl der Farbtöne - nicht optimal zusammenpassen und bietet so einen Vorgeschmack darauf, was die Leser im Buchinneren erwartet: ein Mütterroman im Gewand einer Kindergeschichte. Ein mutiges Unterfangen, das Amelie Fried da versucht, weil sie an dem gängigen Mütterbild, das viele ihren Kindern vermitteln wollen, ordentlich rüttelt: ein Vorbild zu sein, das seine Sorgen mit sich selbst ausmacht.
Frieds Mutterfigur will zwar stark sein, ist es aber keineswegs und das merken alle. Die Schilderung dieses Umstands gelingt der erfahrenen Autorin, Mutter und Journalistin so kurzweilig und unterhaltsam, dass sich die 13 Kapitel des 128 Seiten starken Büchleins in einem Wimpernschlag weglesen – zumindest für die etwa gleichaltrige Rezensentin.
Selbstironie und Selbstreflexion
Der Witz der gestalteten Introspektion speist sich aus Mut zur Ehrlichkeit sowie einer grossen Portion Selbstironie und Selbstreflexion, die jede Mutter, sicher aber nicht jedes Kind zur Genüge kennt. Es geht um eigene Ansprüche und Rollenbilder, darum, was eine gute, was eine schlechte Mutter ausmacht. Das Hauptproblem ist das schlechte Gewissen, das daraus resultiert. Mütter fühlen sich für alles und jedes verantwortlich, reissen daher auch vieles den eher bequemen Vätern aus der Hand. Und am Ende fühlen sich von einer Familienalltagssituation völlig überfordert, die sie selbst mit herbeigeführt haben. Aber müssen oder wollen berufstätige und gleichberechtigte Frauen die vielen Rollen in ihrer Familie einnehmen? - Vielfach haben sie mehr Spielraum für eigene Möglichkeiten, als sie glauben. Dass es in der Hand jeder Frau liegt, ihre Mutterrolle selbst auszufüllen, indem sie reflektiert, wie sehr und warum sie sich so vereinnahmen lässt, ist ein Anliegen Amelie Frieds. Und das möchte sie auch jungen Lesern vermitteln. Dazu gehört, ihnen bzw. den eigenen Kindern nichts mehr vorzuspielen.
Ehrlichkeit und (zu) tiefe Einblicke
Die Konsequenz, mit der Fried dies umsetzt, zeigt sich an der Tiefe der Einblicke, die sie in die Beziehung der Eltern gewährt und sogar deren Sexleben relativ ausführlich thematisiert: „In seinen Augen funkelt es. Ich kenne dieses Funkeln. Es bedeutet, dass Daniel sich Sex wünscht. „Später“, sage ich und lächle. Da Sex meiner Meinung nach am bequemsten im Liegen ist, kann man ihn am besten abends machen, wenn man sowieso schon im Bett liegt“. Kurz darauf mutmasst die Ich-Erzählerin, dass Daniel, ihr Mann, sich nur mit ihr aussprechen möchte, weil sie dann bessere Laune bekomme. „Und mehr Lust auf Sex“. Ein Thema, welches die Frauenbewegung spätestens seit den 1968ern umtreibt, ist nun also im Kinderbuch angekommen. Ob es dort gut aufgehoben ist und Kinder diese Problematik überhaupt erfassen können, bleibt fraglich. Sind sie nicht stattdessen eher peinlich berührt, weil sie es so genau nicht wissen wollen, was im Schlafzimmer der Eltern tatsächlich vor sich geht?
Hildegard Müllers Bilder, die stark an Cartoons einer Franziska Becker oder der frühen Jutta Bauer erinnern, runden das mutige Buchprojekt jedenfalls perfekt ab.
Ina Nefzer

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TitelIch bin hier bloss die Mutter
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Autor:inAmelie Fried
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GenreFiction
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VerlagHanser
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Erscheinungsdatum2019
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Seiten128
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Illustrator:inHildegard Müller
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Bewertung