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Mit Theo in Bern

| Fachredaktion | Kinderbuch

Umwerfend schön illustriert, aufwendig gestaltet, knackig geschrieben: trotzdem überzeugen das Faltbuch und Textheft „Mit Theo in Bern“ nicht. Die Kritik von Barbara Seidel.













Wow, das sieht ja „amächelig“ aus!
Schnell Faltbuch und Textheft „Mit Theo in Bern“ aus dem Schuber geholt.

Was ist das wohl?
„Streifzug eines Katers durch Bauten und Geschichten der Stadt“?

Die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (GSK) hat die Kinderbuchreihe „Papierhäuser“ lanciert. Das innovative Konzept soll Architektur spielerisch erfahrbar machen. Im ersten Band stellt uns Kater Theo die Stadt Bern vor.

Aufwendig ausgestattet mit Schuber, Stanze und Kartonpapier, umwerfend schön illustriert von Catherine Louis mit knackigen Texten von Magdalene Schindler und die nette Idee mit Kater Theo als Leitfigur (Konzept und Projektleitung Nicole Bauermeister). Dank einer neuartigen Produktionstechnik kann das Faltbuch zu einem fast vier Meter langen Panoramabild ausgeklappt werden.

Das sollte richtig gut werden! Doch wie funktioniert das jetzt?
Textbuch aufschlagen und losgelesen: „DAS ist Theo, der Stadtkater.“

Wieso nicht: „Ich bin Theo, der Stadtkater.“? – Der Stadtkater könnte uns so viel über die Stadt erzählen!

Die Tour durch Bern startet am Rosengarten (Warum dort? Wohnt da Theo?), vorbei an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Altstadt (Erlebt Theo ein Abenteuer? Lernt er etwas?) und endet im Marzili mit Blick auf den Gurten (Theo geht schwimmen).

Der Aufbau jeder Seite ist identisch: ein kurzer, informativer Text zum Objekt, gelegentlich eine „herzige“ Illustration von Kater Theo und in der Fusszeile die wichtigsten historischen Daten.

Nur Daten?
Wollen Kinder nicht auch wissen, ob die Skelette vom Friedhof noch unter dem Rosengarten sind? Wo die Burg vom Zähringer stand? Und warum wird eigentlich „Waisenhaus“ im Text erklärt, aber „Baldachin“ oder „Reformation“ nicht?

In der Fusszeile verweist noch eine Ziffer auf den Standort des Denkmals/Gebäudes im Stadtplan am Ende des Textbuches. Wäre er vorne, hätte man nicht lange blättern müssen!

Der rote Faden sind die Objekte, nicht Kater Theo. Über die 37 Sehenswürdigkeiten aus allen Epochen erfahren wir Wissenswertes und Kurioses, leicht fasslich erklärt. Kater Theo aber ist bloss hübsche Garnitur, weder der Erzähler noch der wirkliche Akteur dieses „Kinderbuches“.

Ist das Textbuch jetzt zum Vorlesen oder Lesen zuhause oder soll man damit durch die Stadt laufen und sich die Sachen ansehen?
Ohne Faltplan geht das nicht. Da sind nämlich die Sehenswürdigkeiten drauf, um die es im Textbuch geht.

Erster Eindruck vom Faltplan: ausgeklappt 4 Meter lang, wegen Leporello-Falz einfach durchzublättern, atemberaubend schöne Illustrationen der Berner Sehenswürdigkeiten - nummeriert. Theo ist auch zu sehen, manchmal auch Menschen.

Ist es jetzt Tag oder Nacht auf den Bildern?
Sind wir im Heute (Automodelle, Menschen mit Rollkoffern) oder im Früher (viele Menschen mit Hüten)? Wie passt das zum Textbuch, wo alles an einem Tag im Heute geschieht?

Der Faltplan startet auch bei Nr. 1, dem Rosengarten. Theo hockt auf der Mauer vom Rosengarten und schaut hinüber zur Berner Altstadt. Warum ist nicht der Rosengarten zu sehen? Auf dem nächsten Bild macht Theo einen Handstand auf dem alten Bärengraben. Auf dem Bild zum Waschhaus in der Matte sitzt Theo vor dem Waschhaus in der Matte. Manchmal hat Theo sich verkleidet (Engel/Münster, Gestiefelter Kater/Bibliothek, Altes Mütterchen/Rathaus), am Bahnhof zieht er einen Koffer, auf dem Markt hilft er einer alten Frau mit den Einkäufen, einmal unterhält er sich – mit der Kornhaus-Bibliothekarin. Auf dem letzten Bild liegt Theo in der Aare (geschafft!).

Auf der Rückseite vom Faltplan sind die Namen aller Berner Gassen aufgeführt. Warum hat man diesen Platz so verschenkt? Ohne das Textbuch ist dieser Faltplan nicht zu verstehen. Wieso hat man statt eines separaten Faltplans nicht die schönen Illustrationen gleich in das Textbuch integriert?

Wo ist denn jetzt das versprochene Kinderbuch?
Die Bilder sind stark mit ihrer verwunschenen Scherenschnitt-Silhouette. Doch der Textteil schwächelt. Was fehlt, ist das Wichtigste, eine Geschichte. Es fehlt an allem: lebendigen Akteuren, nachvollziehbarer Motivation, eingängigen Dialogen und wenigstens ein Hauch von Spannung. Theo, die gut gemeinte Identifikationsfigur, bleibt so leblos wie die Denkmäler, die er uns zeigen will.

Würde ich mit Theo durch Bern gehen?
Bisschen unpraktisch das Ganze. Wer sich in Bern nicht auskennt, der wird ohne den Faltplan viele der Objekte nicht finden. Also muss man zwei Bücher mitnehmen und damit aufwendig hin- und herhantieren. Dass die numerische Reihenfolge nicht immer der Textabfolge entspricht und ein dicker Satzfehler vor dem Druck nicht aufgefallen war, ist bei dem offenkundigen Aufwand unverständlich.

Jemand hat einen guten Text geschrieben, jemand anders hat tolle Illustrationen gemacht, eine dritte Person hatte die Idee mit Theo, jemand hat sich wirklich Gedanken zur Auswahl der Objekte gemacht. Alles für sich gute Arbeiten. Aber zusammen funktioniert es nicht.

Nicht für Kinder, die gute Geschichten brauchen. Nicht für Erwachsene, die gute Geschichten wollen.

Vielleicht sollte man sich noch mal überlegen, ob die Serie für andere Städte wirklich genau so weitergeführt werden soll?


Video zum Kinderbuch «Theo in Bern»:

 


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Fachredaktion

  • Titel
    Mit Theo in Bern
  • Autor:in
    Magdalena Schindler
  • Verlag
  • Erscheinungsdatum
    Bern, 2012
  • Seiten
    Faltbuch 18 Seiten, Textheft 32 Seiten
  • Illustrator:in
    Catherine Louis
  • Bewertung